Ein Übergreifendes Energieeinsparkonzept für die Spritzgießerei.

Die Durchfluss-Messtechnik ist das Metier des aus der Uhrenindustrie hervorgegangenen Unternehmens Wehrle in Furtwangen. Ein Kernbereich des Traditionsunternehmens ist die Kunststofftechnik, die heute mit rund 70 Spritzgießmaschinen, überwiegend in 2K-Technik, Präzisionsbauteile produziert. Neben ständiger Innovation bei Produkten und Produktion wurde umfassend in Technologien zur nachhaltigen Senkung des Energieverbrauchs investiert – um auch künftig am Standort Deutschland zu weltweit wettbewerbsfähigen Kosten fertigen zu können.

Unternehmen mit 170 Jahren erfolgreicher Geschichte sind in Deutschland und Europa rar gesät. Gestartet mit der Produktion von Trompeter-Uhren, die heute im deutschen Uhrenmuseum zu bestaunen sind, hat sich das Unternehmen in seiner gesamten Geschichte bis heute immer auf Präzisionsprodukte konzentriert. Heute bilden die beiden Business Units „Metering“ und „Precision Plastics“, die für Kunden aus den verschiedenen Branchen Kunststoffbauteile und Baugruppen produziert, die wichtigsten Säulen. Dafür stehen mehr als 70 moderne, zu einem großen Teil für 2K-Technik ausgerüstete Spritzgießmaschinen zur Verfügung. Der Schließkraftbereiche liegen zwischen 250 und 2.200 Kilonewton, die Stückgewichte reichen von 0,01 bis 600 Gramm.

Die positive Unternehmensentwicklung spiegelt sich in einer stetig wachsenden Mitarbeiterzahl und dem aktuell entstandenen Hallenneubau wider. Auf etwa 11.000 Quadratmeter Fläche über vier Etagen haben im Kellergeschoss die Energiezentrale, im Erdgeschoss die Kunststoffspritzerei, im ersten Obergeschoss Büroräume und im zweiten Obergeschoss der mit modernster Technik bestückte Werkzeugbau und Sozialräume ein attraktives, neues Zuhause gefunden. Gebäude- und Innenarchitektur sowie die einzelnen Betriebsbereiche wurden auf einen optimalen Fertigungsablauf hin ausgerichtet. „Als mittelständisches Unternehmen mit traditionsreichen Wurzeln im Schwarzwald, bekennen wir uns zu unserem Standort und den Menschen, die mit Leidenschaft entscheidend zur Erreichung unserer Ziele beitragen. Aus diesem Grund entwickeln und produzieren wir ausschließlich am Standort Deutschland. Bei all unserem Tun haben wir immer auch das Thema Energieeffizienz im Blick, um unseren Beitrag zum Erhalt unserer Umwelt zu leisten. Für die Umsetzung eines Energiekonzepts in unserem Neubauprojekt suchten wir daher einen Partner mit umfassender Erfahrung. Nach Marktrecherche und Informationsauswertung von Referenzanlagen haben wir den Energiesparspezialisten Oni aus Lindlar ins Boot geholt. Gemeinsam haben wir ein Energieversorgungskonzept realisiert, dass hinsichtlich Ökonomie und Ökologie Maßstäbe setzt“, beschreibt Georg Herth, geschäftsführender Gesellschafter der E. Wehrle GmbH, seine Entscheidung.

 

Natürliche Ressourcen einbinden

Wenn man als Rückkühlmedium Brunnenwasser einsetzen kann, verfügt man über einen unschlagbar günstigen Kühlenergieträger. Auf dem Wehrle-Gelände war bereits vor Jahren eine Brunnenbohrung zur Versorgung der ersten Spritzerei gesetzt worden. Die wurde in das neue Versorgungskonzept integriert und optimiert. Die zur Verfügung stehende Schüttmenge wird heute in der Bandbreite der zulässigen Temperaturspreizung bestmöglich genutzt. So werden unterschiedlich temperierte Versorgerkreise nach Möglichkeit in Reihe geschaltet. Möglich wird diese Reihenschaltung durch die Wahl der Versorgungstemperaturen in den einzelnen Kühlkreisen. Für die Versorgung der Spritzgießmaschinen im Bereich Hydraulikkühlung wurde eine Spreizung von 25/30 °C, für den Bereich Werkzeugkühlung eine Spreizung von 15/18 °C und für die Lüftung eine Spreizung von 12/18 °C gewählt. Da die einzelnen Kreise über Wärmeaustauschereinheiten vom Rückkühlnetz getrennt gefahren werden, besteht zudem die Möglichkeit, die Abwärme aus der Maschinen- Hydraulikkühlung für Heizzwecke zu nutzen.

 

Versorgungssicherheit hat Priorität

Die Einhaltung von Lieferverpflichtungen ist die wohl wichtigste Forderung von Kunden an ihre Lieferanten. Speziell dann, wenn Teile „Just-in-time“ oder „Just-in-sequenz“ geliefert werden müssen, erhält diese Forderung besonderen Nachdruck. Um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, wurden bei Wehrle in Furtwangen alle Systeme und Wärmeaustauschereinheiten so ausgelegt, das eine doppelte Versorgungssicherheit zu jedem Zeitpunkt gegeben ist. Sollte zudem die Brunnenwasserversorgung in den Sommermonaten einmal nicht ausreichen oder für die Versorgungsspitze mehr Leistung benötigt werden, kann aus dem Stand heraus eine Kältemaschine mit 310 Kilowatt Kühlleistung zugeschaltet werden.

 

Kühlung spart Heizkosten

Um ein Unternehmen mit mehreren tausend Quadratmetern Produktions-, Büro- und Lagerfläche in den Übergangs- und Wintermonaten zu beheizen, ist üblicherweise eine Menge Erdgas oder Heizöl erforderlich. Der Heizenergieverbrauch und die daraus resultierenden Betriebskosten sind deshalb erheblich. Darüber hinaus ist für die Wärmeerzeugung und Verteilung ein Heizhaus mit Heizkessel, Brenner und Abgasanlage erforderlich. Um die Investitionskosten und letztlich die Heizkosten auf möglichst niedrigem Niveau zu halten, wurde bei Wehrle zuerst auf die Nutzung von Abwärme aus allen möglichen Bereichen gesetzt. Als besonders attraktive Quellen wurden die Kühlenergieversorgung für die Hydraulik der Spritzgießmaschinen und der Kühlkreis der Druckluftkompressoren identifiziert.

Für die Spritzgießmaschinen in den beiden Produktionsbereichen wird für die Maschinen-Hydraulikkühlung Kühlwasser mit einer Temperaturspreizung von 25/30 °C und einem Leistungsvermögen von 300 Kilowatt zur Verfügung gestellt. Die Rückkühlung würde normalerweise auch in den Übergangs- und Wintermonaten über das Brunnenwasser-system laufen. Hier wird jedoch einmal eingesetzte Energie einfach ein zweites Mal genutzt, indem der Kühlkreis zum Heizkreis umfunktioniert wird. Möglich wird die Nutzung dadurch, dass im Neubau Industrie-Fußbodenheizfl ächen verlegt wurden, die durch eine entsprechend hohe Heizfl ächendichte mit einer Vorlauftemperatur von 30 °C als Heizwassertemperatur auskommt und die zu beheizenden Räume auf Solltemperatur bringen. Zudem steht aus der Druckluftversorgung Abwärme mit 70 °C zur Verfügung, die über ein Wärmetauschersystem ebenfalls in Niedertemperaturwärme gewandelt und für die Bereiche Fußbodenheizung und Lüftungssystem bereitgestellt wird. Durch diese Wärmerückgewinnung wird kostenlose Abwärme zu wertvoller Heizenergie, die Erdgas und Heizöl ersetzt und damit unnötige Umweltbelastungen verhindert.

 

Raumluftbedingungen beeinflussen die Teilequalität

Sensible Fertigungsbereiche, in denen qualitativ hochwertige Produkte hergestellt werden, verlangen nach einer defi nierten Raumlüftung. Die Praxis zeigt leider immer wieder, dass kostspielige Lüftungssysteme in Betrieben energieintensiv, jedoch ohne die gewünschte Wirkung arbeiten. Da an Formteile, die bei Wehrle in präzisen Messinstrumenten verbaut werden, höchste Ansprüche an die Produktqualität gestellt werden, sind konstante Produktionsbedingungen unter allen Umständen sicherzustellen. Im Bereich Raumluftqualität und Raumtemperaturverteilung wurde bei Wehrle auf ein von Oni zugeschnittenes Lüftungskonzept gesetzt, das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte hinsichtlich Zuverlässigkeit, Energieeffi zienz und Funktionssicherheit geplant und ausgeführt ist.

So wurden unterschiedliche Luftauslasssysteme eingesetzt, die auf die Raumgeometrie optimal angepasst wurden. Dazu gehören Quellluftauslässe im Bodenbereich der Produktionshallen und Quellluftschläuche, die im Deckenbereich angeordnet sind. Damit wird sichergestellt, dass Zuluftmengen gezielt dort ankommen, wo sie benötigt werden. Große Ausströmoberfl ächen stellen zudem sicher, dass die Zuluft mit niedrigen Strömungsgeschwindigkeiten eingebracht wird. Störende Luftverwirbelungen und Punktströmungen werden so unterbunden. Für die Erwärmung der Frischluftanteile, die zugeführt werden müssen, wird in der Übergangs- und Winterzeit die Maschinenabwärme bzw. die Abwärme der Druckluftkompressoren genutzt. Die Nutzung kostenloser Abwärme für die Luftaufheizung wirkt sich natürlich überaus positiv auf die Energiebilanz und letztlich die Jahresbetriebskosten des Unternehmens aus.

 

Vertrauen ist gut, ....

...Kontrolle ist besser. Plausiblen Wirtschaftlichkeitsberechnungen und beispielhaften Referenzprojekten kann man in der Entscheidungsfindung sicherlich einiges abgewinnen, aber schön ist, wenn man die prognostizierten Einsparungen und die Betriebssituation der Anlagentechnik auf einen Blick kontrollieren kann. Im Fall Wehrle wollte die Geschäftsführung des Unternehmens genau diese Möglichkeit haben, um Ihre Entscheidung für eine energieoptimierte Anlage im Nachhinein bewerten zu können und gleichzeitig die Anlagensituation im Blick zu haben. Installiert wurde daher ein Regelsystem, in dem alle relevanten Anlagendaten visualisiert werden. Im Zentrum steht ein SPS-Baustein mit einer von Oni entwickelten, energieoptimierenden Systemsoftware die als dynamisches Managementsystem die Organisation der Energieversorgung bei Wehrle übernimmt. Hier laufen alle Informationen zu Systemzuständen der Gesamtanlage zusammen, werden ausgewertet und von hier aus bekommen die Systemkomponenten alle notwendigen Befehle. Das Regelsystem erkennt beispielsweise sofort, wenn eine Spitzenlast die Zuschaltung der Kältemaschinen-Kühlung notwendig macht oder in welchem Bereich gerade eine Abwärmenutzung möglich ist. Damit ist sichergestellt, dass immer nur der Primärenergie-Aufwand betrieben wird, der zwingend notwendig ist. Ist Heizwärme in einem Unternehmensbereich notwendig, wird die entsprechende Leistung aus dem Maschinen- oder Druckluftkühlkreis zur Verfügung gestellt. Die dadurch reduzierte Rückkühlleistung hat dann wiederum eine Verringerung der Brunnenkühlung zur Folge.

 

Gut aufgestellt

Beispielhaft am Projekt Wehrle zeigt sich, dass ganzheitliche Energiekonzepte die Möglichkeit einer besonders wirtschaftlichen und damit Kosten sparenden Energieerzeugung eröffnen. „Wir haben in allen Bereichen, von der Kühlanlagentechnik über die Lüftungs- und Pumpentechnik auf modernste Systemtechnik gesetzt und freuen uns, dass wir mit dem jetzt realisierten Energiekonzept nicht nur besonders energieeffi zient produzieren können, sondern durch auf Minimalniveau gehaltenen Energiemengen im Bereich Strom und Gas einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Die Fachleute von Oni standen uns vom ersten Projektgespräch bis zur schlüsselfertigen Anlagenübergabe vorbildlich zur Seite und sind weiterhin für uns Partner erster Wahl in Sachen zuverlässige und energieeffiziente Anlagensysteme“, so das Fazit von Georg Herth zum umgesetzten Energiekonzept in Furtwangen.

 

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